Juliane Barth
Lüneburger Heide

Ich bin seit ca. 20 Jahren im Pferdesport zuhause, vor allem in der Vielseitigkeit, und habe die ein oder andere Geschichte erlebt. Das bringt mich auch dazu, Euch jetzt in meine Welt der Pferde mitzunehmen. Mein Geld verdiene ich als selbstständiger Creative Producer in der Werbefilmbranche und in der Social Media Welt.

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Turnier

Es hat Klick gemacht

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27. Mai 2019

Ihlow, 25.05.19 / VL

Nachdem Nessi so gut in die Saison gestartet war – mit ein paar Schleifen, mit sicheren Geländerunden und einem guten Gefühl – dachte ich mir, es wäre an der Zeit, mal den nächsten Schritt zu gehen. Der Sprung von A zu L ist im Busch sicher der schwierigste. Denn wo man im A immer Platz hat und nicht so viele technische Aufgaben kommen, sieht das im L etwas anders aus. Und jede L bzw. CCI2* ist anders. Ich fand es bei der Planung echt schwer, mich für eine “erste VL” zu entscheiden, denn man kennt ja auch nicht alles und will das Pferd auch nicht gleich schocken. Ich wusste, ich will erstmal VL reiten und nicht gleich 2*, denn auf internationalem Level ist es vom Gefühl her noch ein bisschen schwieriger (man könnte fast sagen VL ist L* und CCI2* ist L**, auch wenn es das natürlich gar nicht gibt). Ich hatte dann das Glück, dass ich in Ganderkesee das Stil L Gelände reiten konnte, was die perfekte Vorbereitung war und zum Reinschnuppern in die Klasse L wirklich gut geeignet. Da zeigte mir Nessi schon, dass sie bereit war.

Ich entschied mich dann also für Ihlow, die seit 10 Jahren das erste Mal wieder eine VL ausgeschrieben hatten. Folglich wusste zwar keiner so richtig, was uns erwarten würde, aber ich baute darauf, dass sie es im ersten Jahr nicht unüberwindbar schwer bauen würden, sondern erstmal mit einem netten Kurs einstiegen. Und ich hatte glücklicherweise recht.

Wo ist denn eigentlich Ihlow? In Ostfriesland, bei Emden / Leer / etc. also für uns eine echte Strecke zu fahren (ca. 240km). Aber für einen guten Plan ist mir selten ein Weg zu weit. Ich hatte Glück mit einer sehr netten Meldestelle, die mich nicht als 3.Starterin in der Dressur auf die Liste setzte, sondern nach hinten schob, sodass wir nicht um 02:00 aufstehen mussten. Startzeit 12:11 – machbar! Wir planten mit 3,5h Fahrt (die wir auf der Hinfahrt auch brauchten) und kamen sehr entspannt und rechtzeitig an. Ich konnte in Ruhe fertigmachen, abreiten und dann ins Viereck.

Wir hatten viel Dressur geritten in den letzten 2 Wochen vorm Turnier. Das ist nunmal unumstritten Nessis schwächste Disziplin und gerade mit einer L-Aufgabe hatte sie am Anfang ihre Probleme. Glücklicherweise lernt sie ja sehr schnell und konnte schon nach wenigen Malen die Außengalopptour halten. Im Viereck mussten wir das aber auch erstmal hinkriegen.

Die CIC1*B Aufgabe, die wir reiten mussten, ist ohne erstes Grüßen, was uns schonmal sehr entgegen kommt. Einreiten klappte also ganz gut. Dann Mitteltrab auf der Diagonalen (R-K), klappte auch gut, war allerdings etwas frei und dann guckte sie ein bisschen vor der Ecke. Dann kam 2x Viereck vergrößern von der Mittellinie – das macht sie immer sehr gut. Schlangenlinie mit Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen ist immer schwierig, weil sie oft bisschen rennig dabei wird. Das war auch hier so und daher nicht richtig abgestreckt. Bei C dann Schritt. Schwierige Lektion für Nessi im Viereck, weil es ihr noch schwer fällt, den Takt zu halten und gefühlt immer kurz vorm Anzackeln ist. Bei F Trab, A Galopp und die Außengalopptour. Davon war ich hellauf begeistert. Sie hat toll mitgemacht, alles gehalten, keinen Patzer. Letztes Aufmarschieren, gerade, gestanden. Alles gut.

Ich war sehr zufrieden. Klar kann man noch viele Kleinigkeiten verbessern, aber fürs erste Mal wirklich in Ordnung. Wertnote 6,2. Hmmm… also an sich eine reelle Note, aber im Vergleich zu den anderen doch weit weg. Ich hörte vorher nur 7ner-Noten.. war dann auch so – 30. nach Dressur. So schlecht fand ich uns nicht. Im Protokoll bemängelten die Richter die Anlehnung. Die wäre über die ganze Aufgabe nicht konstant gewesen.. naja, was solls…

Dann auf zu meinen beiden Lieblings-Disziplinen! Nach dem Abgehen vom Springen war ich auch wieder besser drauf. Das Springen war recht schwer, der Platz anspruchsvoll zu reiten, ein paar Spitzkehren und ich sah einige Reiter mit Fehlern. Das machte mir klar: Es kommen noch 2 Disziplinen. Und die liegen Nessi – abgerechnet wird am Schluss 🙂

Bei den ersten Sprüngen auf dem Abreiteplatz merkte ich richtig, wie Nessi sich freute. Endlich keine Dressur mehr! Endlich ein paar Sprünge. Sie war kaum zu halten. Drinnen wars dann ähnlich – volle Action! Das hatte ich lange nicht mehr, dass sie so auf die Sprünge gepullt hat. 2x musste ich echt durchgreifen nach dem Motto “Kannst du mal warten”?? Wenn man eben noch ne Distanz gesehen hat, die ein Galoppsprung später nicht mehr da war 😀

Aber typisch Nessi: Wir blieben Null und in einer guten Zeit. Später stand auf der Ergebnisliste, dass wir die Besten im Springen waren! Nessi bekam ihr Mittagessen, wurde verladen und als wir wieder zur Meldestelle kamen, um die Geländeskizze zu holen, gab es auch schon einen Geländefahrplan. Danach sollte ich in weniger als 50min ins Gelände starten 😳 UPS.. ne, das wär vielleicht möglich, wenn ich nicht mehr Gelände hätte abgehen müssen.. aber so? Die Meldestelle war aber echt hilfsbereit und ich konnte dann nach Starter 25 reiten, in einer eingeplanten Pause, sodass es nicht die ganzen Listen durcheinander wirbelte…

Das hieß dann Startzeit so ca. 14:50 und wir hatten eine Stunde mehr. Trotzdem gingen wir flott durchs Gelände. Knapp 2.500m (untere Grenze VL). Hier seht ihr die Sprünge 3-20:

Ich fand die Sprünge sehr ansprechend und schön gemacht. Die Anforderungen waren machbar und die Aufgaben fair. Das Einzige, was ich nicht so schön fand, waren die Wege dazwischen. Das war teils nicht so harmonisch oder die Sprünge aus der Linie rausgestellt. Ist schwer zu beschreiben, aber dadurch wurde es ein Kurs, den man sehr konzentriert reiten musste. Zu 13 (Wasser) bekam man keine gute Linie, weil man eine S-Kurve reiten musste und dafür auch Tempo rausnehmen musste. Ansonsten hatte ich aber ein ganz gutes Gefühl. Gerade der Anfang war nett und erstmal zum Warm werden gebaut (letztlich muss ich sagen, dass es sich deutlich besser reiten ließ als es sich beim Abgehen anfühlte).

Nach dem Abgehen konnten wir eigentlich gleich schon langsam fertigmachen. Das mit der Helmkamera hab ich irgendwann zwischendurch verworfen, weil es eh schon etwas hektisch war und ich dann nicht noch ewig nach dem TD suchen wollte und mich selbst aus der Konzentration bringen wollte. Mal ein Turnier ohne FMA, ohne Helmkamera, ohne Uhr. Einfach konzentrieren aufs Reiten und auf Nessi. Und das hat auch was gebracht.

Anna Siemer gab mir noch ein paar Tipps auf dem Abreiteplatz zu bestimmten Komplexen. Beim Wasser musste man schön links bleiben, damit man nicht zu tief in den See reinkam. Aber sie war ganz positiv: Ihr macht das schon! Danke Anna – ein bisschen Selbstbewusstsein vorm Start schadet nie.

Nessi war super drauf beim Abreiten. Ich merkte keine Unsicherheit, sie sprang entspannt und nicht zu krampfig. Sie galoppierte gut vom Fleck weg und reagierte gut aufs Bein. Und es ging zum Start.

1,2,3 – nur Fliegen lassen. Selbst vor 1 ist sie nicht geschwommen, sondern hatte schon richtig Zug aufm Gebiss und wollte weiter. 4 auch kein Problem, dann durch das Tor dirigieren. Aufm Weg war sie ziemlich unsicher, weil es direkt auf ein wartendes Gespann zu ging, vor dem wir dann links in den Wald mussten. Im Wald gings aber weiter. Zu 5 musste ich bisschen reiten, weil ich wusste, dass direkt dahinter “gefährliche” Hindernisrichter sitzen, aber Nessi fasste sich ein Herz. 6,7,8ab flog sie nur so hinweg. 8ab – 13m Distanz – entspannte 2 Galoppsprünge 🚀. Dann auf den großen Platz, Konzentration, den Weg finden durchs Pflichttor auf 9. Wurde etwas dicht.. nö – Nessi entschied sich bei dem großen Trakehner einfach mal eher loszuspringen. Kein Problem 😜 Dann wieder Galopp entwickeln. Durch die Pfütze auf 10, kein Zögern, Weg finden auf 11 zwischen den Sprüngen und den Zuschauern. 11 ein dicker Tisch.. aber ich ritt mit und Nessi flog hinüber. Zu 12 machte ich eine ordentliche Wendung, trotzdem sah sie den Sprung recht spät. Ich ließ nichts anbrennen und entschied mich auch da für die große Distanz und Nessi nahm es an. Was für ein Satz.

Zu 13 kam ich durch den riesen Satz dann sehr aus der Linie und nicht so weit rüber wie ich wollte, damit sie das Wasser einmal sieht. Sie war dann etwas erschrocken und driftete mir nach Links weg (ihre beliebte Seite fürs Wegdriften – daran muss ich arbeiten), ich überlegte in der Zehntelsekunde “schaff ich das noch?” “wird eng!” “ach los – wir probieren das noch” und glücklicherweise hat Nessi sofort geschaltet und nach dem ersten Schock mitgezogen. Dadurch ging das noch und wir hatten keinen Stopp. Das Nicht-Aufgeben hatte sich da gelohnt!

Galoppi entwickeln, durchs dritte Tor, 14 die kleine Ecke aus einer guten Linie getroffen. Dann 15ab, Tiefsprung mit Sprung dahinter, musste ich abbremsen, damit sie genug Zeit hat, es einzuordnen. Aber auch das kein Problem. Zu 16 hab ich dann wieder Fahrt aufgenommen und ließ sie über den MIM-Oxer fliegen. Was für mich von unten schon nach einem recht beeindruckenden Sprung aussah, fühlte sich von oben total easy an. 17ab ritt ich dann auch eine ordentliche Wendung, aber auch da kein Zögern. Über die Wellenbahn, durch Tor 4 auf das Coffin zu. Ich kriegte die Linie, Nessi war ganz schön wild, aber die Distanz passte und ich dachte mir, sie wird sich schon sortiert kriegen. Hat sie. Mit einem mega Sprung in die Höhe über dem Graben kam sie hinten raus und dann waren es nur noch 2 Sprünge. Auch die waren kein Problem, der letzte etwas dicht, aber Nessi ist flink auf den Beinen und kriegt bei sowas keine Probleme.

ZIEL – keine Hindernisfehler. Ich war sowas von glücklich!!! Das Grinsen stand mir ins Gesicht geschrieben! Die erste VL mit sooo einer Geländerunde bestritten. Ich hatte ihr geholfen, sie hatte mir geholfen. Es war echtes Teamwork! Ich hatte wirklich das Gefühl, dass es Klick gemacht hat. Sowohl bei ihr als auch bei mir im Kopf. Ich traute ihr mehr zu und dadurch ließ ich ihr mehr Freiraum, Entscheidungen zu treffen. Die Zeit hatte ich nicht gehört, aber auf der Ergebnisliste standen aber später nur 2,8 Punkte ausm Gelände. Das waren 7sec über die Zeit. Krass, denn ich bin ohne Uhr geritten und nur nach Gefühl und ich hätte nicht gedacht, dass man bei den vielen Wendungen und technischen Anforderungen doch so schnell reiten kann (520m/min). Die Kleine hats drauf!!!

Und sie war überhaupt nicht müde ausm Gelände. Gut drauf, gleich wieder ruhig in der Atmung. Wir haben sie natürlich gewaschen, Beine gekühlt und dann noch ne Weile grasen lassen. Am Ende war es Rang 20 von 44 für uns (bis 16 wurde platziert), also nicht so weit weg und im guten Mittelfeld! 10 Plätze nach vorne durch Springen und Gelände. Ich könnte nicht zufriedener sein mit unserer ersten VL 😍😍😍

Danke Jan für die vielen schönen Bilder 🙂

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