Juliane Barth
Lüneburger Heide

Ich bin seit ca. 20 Jahren im Pferdesport zuhause, vor allem in der Vielseitigkeit, und habe die ein oder andere Geschichte erlebt. Das bringt mich auch dazu, Euch jetzt in meine Welt der Pferde mitzunehmen. Mein Geld verdiene ich als selbstständiger Creative Producer in der Werbefilmbranche und in der Social Media Welt.

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Wir sitzen alle im selben Boot – wie retten wir den Pferdesport?? #wirfürdenpferdesport

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6. Juli 2022

Abwenden, aussitzen und abwarten sind jetzt nicht die richtigen Ratgeber. Wir sitzen alle im selben Boot. Egal, ob Spitzensportler, Freizeitreiter oder Reitschulbetreiber. Es geht uns jetzt alle etwas an, denn „Pferdesport“ als solcher bezeichnet ja jede Beschäftigung mit dem Pferd. Und das fängt im kleinen an, in jedem Pensionsbetrieb, bei zu kleinen Boxen oder unwissenden Menschen, die sich Pferde kaufen und sie krank füttern und endet im Spitzensport, auf Turnieren – bei zu scharfen Gebissen, zu vielen Hilfsmitteln und Offiziellen, die nicht früh genug einschreiten. Die Liste ist endlos lang bei dem, was wir ändern müssen.

Man fühlt sich machtlos bei der Fülle an Dingen. Wo soll man ansetzen, um den Pferdesport zu retten? Um die Medien zu beruhigen und die Menschen da draußen, die sich empören (leider zu Recht) wieder dahin zu bringen, dass sie die Beschäftigung mit dem Pferd gutheißen? Denn am Ende gibt es in 10 Jahren keine olympischen Spiele mehr mit Pferdesport, wenn das so weitergeht. Und das wird sich dann auch in die jeweilig kleineren Klassen übertragen.

Es ist so gemein für diejenigen, die es gut machen. Die den Pferden das bestmögliche Leben bieten, die sich Gedanken machen, die sich wirklich den A* aufreißen, um alles so gut wie möglich zu managen und jeden Tag sich und sein Reiten hinterfragen. Denn für diejenigen wird es dann auch zu Ende sein. Aber wie in jedem Sport gibt es die, denen es scheiß egal ist (die leider dafür auch noch belohnt werden mit guten Ergebnissen) und die es für alle schwierig machen.

Vor allem aber sollten wir uns nicht gegenseitig zerreißen. Wir haben den Fehler schon beim Fünfkampf letztes Jahr gemacht. Haben uns als Pferdesportler aufgespielt, dass der Fünfkampf nichts mit dem Reitsport zu tun hat und die Fünfkämpfer ja keine Bindung zum Pferd haben. Ja, das mag in vielen Teilen stimmen, aber – wir haben dem IOC auch die Tür geöffnet, die erste Disziplin mit Pferden aus dem olympischen Programm zu nehmen. Rückblickend war das ziemlich dämlich. Vielleicht hätten wir eher Hilfestellung leisten sollen. Den Fünfkämpfern mit Unterricht bei guten Trainern unter die Arme greifen sollen oder was auch immer. Jetzt sind wir an einem ähnlichen Punkt und sollten daraus lernen. Nicht als VS Reiter die Dressur- und Springreiter angreifen. Keiner ist an allem schuld. Es ist die Summe der Vorkommnisse, die mir Sorgen bereitet. Es ist seit dem Fünfkampf-Dilemma, dass weltweit so viele Menschen gesehen haben, einfach nicht ruhiger geworden. Immer wieder kommt es zu schlimmen Schlagzeilen – disziplinübergreifend. Wir müssen jetzt als starke Einheit auftreten und zeigen, dass wir was ändern können. Dass wir das Problem erkannt haben. Dass wir bereit sind, in offene Diskussionen zu gehen, auch wenn sie erstmal wehtun.

Man muss aber auch eins mal ganz klar sagen: Pferde sind Nutztiere. Man schafft sich ein Pferd an und möchte damit was machen, sei es Sport, Freiarbeit, Spaß haben, was auch immer. Aber es erfüllt immer irgendwie einen Nutzen für einen Menschen. Das klingt für die Wendy-Fraktion hart, aber ist so: Fragt euch mal selbst: Warum habt ihr euer Pferd? Warum habt ihr eine Katze, einen Hund, ein Meerschweinchen? Menschen halten sich Tiere, weil ihnen langweilig ist, weil sie gern einen „Partner“ zuhause haben, weil sie sich gerne um etwas kümmern möchten. Und wie viele Hauskatze haben ein geiles Leben, wenn sie mitten in der Stadt nie rauskommen und auf 30qm wohnen… das mal nur so by the way.

Also – das Pferd als Nutztier. Nutztier bedeutet ja per se nichts schlechtes, nur dass man das Tier zu einem Zweck nutzt. Und der kann unterschiedlich sein. Aber wir reiten zu unserem eigenen Spaß. Da die Pferde nicht sprechen können, kann hier keiner behaupten, dass das Pferd generell geritten werden möchte. Die werden nicht geboren und schreien: JUHU, ich werde geritten. Und dann ist es in meinen Augen auch egal, ob einer ohne Sattel im wilden Galopp durch die Gegend pest oder in der Halle Dressur reitet oder über 1,50m Sprünge springt.. ich bin der Meinung, wir nähern uns den Pferden mit Respekt, kriegen raus, für was sie eine Veranlagung haben (mögen sie Springen, Gelände, Dressur, Western oder gar nichts von allem ;)) und bilden dann gut aus. Und zwar gut im Sinne von: Wir bringen ihnen bei, uns zu vertrauen, keine Angst zu haben vor bestimmten Sachen und den „Job“ im besten Fall zu mögen.

Wir als Menschen machen mit Sicherheit dabei nicht alles richtig. Wir sind nicht allwissend, wir können nicht in die Glaskugel gucken und dabei wissen, was passieren wird. Wir versuchen sicherlich auch Pferde in „Schubladen“ zu stecken, so wie ich zum Beispiel immer versuchen werden, Pferde für die Vielseitigkeit zu finden und eher keine Dressurpferde ausbilde.. Wir müssen aber immer unser Bestes geben. Wir müssen immer wieder auf die Pferde schauen und reinfühlen. OPTIMIEREN. An jeder Stelle und an jedem Tag. Denn die Pferde vertrauen uns, das haben wir ihnen beigebracht und dieser Verantwortung müssen wir auch gerecht werden.

Trotzdem können Unfälle passieren. Wie jetzt beim CHIO Aachen mit Allstar B und Ros Canter. Dieser Unfall hat nachgewiesen nichts mit dem Hindernis zu tun gehabt. Es war eine blöde Drehbewegung und dadurch hat er sich eine inoperable Verletzung zugezogen. Er musste nicht lange leiden, die Entscheidung, ihn gehen zu lassen, war schnell getroffen. Das häufige Argument, dass so eine Verletzung auch auf der Weide passieren kann, ist zwar richtig, aber den Tierschützern oft ein Dorn im Auge – denn auf der Weide würden Pferde ja ein glückliches Leben führen und bei dem sterben, was ihnen am liebsten (und natürlichsten!) ist. Ok, das sehe ich (zum Teil) ein. ABER – was ist mit all den Pferden, die eingeschläfert müssen (oder ewig elendig krank sind) wegen Unwissenheit oder falscher Tierliebe der Besitzer? Beispiel falsche Fütterung – verfettende Pferde – Rehe – Hufbeinabsenkung bis Ausschuhen? Wie oft passiert das wegen der Besitzer? Falsche Haltungsbedingungen und dadurch jahrelanges Leiden? Ja, es geht nicht so schnell wie bei Alby jetzt und ist es dadurch weniger schlimm? Es ist einfach nur statistisch schwerer zu erfassen als die 118 Pferde, die angeblich innerhalb der letzten Jahren bei Vielseitigkeitsprüfungen umgekommen sind. Wenn du eine Studie mit Stallbetreibern machen würdest, könnte man da wohl locker eine 0 dranhängen (ohne die alten Pferde einzuschließen).

Es ist schwer, jetzt eine Lösung zu finden. Vor allem die Offiziellen sind dran, sich Gedanken zu machen. Egal, ob FN oder FEI. Denn sie sollten nochmal genau in ihre Richtlinien gucken: FEI CODE OF CONDUCT FOR THE WELFARE OF THE HORSE. Es kann nicht sein, dass Geldverdienen das Wohl der Pferde überschattet. Es kann nicht sein, dass Dinge wie LDR und Touchieren im Jahr 2022 immer noch „erlaubt“ sind. Warum muss man zum Beispiel in der Dressur mit Kandare reiten? Warum kann man nicht frei wählen? Gerade die Profis können doch dann am besten entscheiden, ob sie auf Trense, Halsring oder Kandare vorstellen. Die Punkte gibt’s doch für die Lektionen, Harmonie, etc. Und was ist mit den Richtern los? Warum wird selbst auf kleinen Turnieren die Pferdebewegung mehr bewertet als die Korrektheit des Ritts?

Darauf sollte es doch ankommen… und um zur Vielseitigkeit zurückzukommen: Wie viele Turniere habe ich schon erlebt, wo im E und A Bereich wie Klein Badminton gebaut wurde? Warum? Wozu profiliert sich ein Parcoursbauer hier? Doch am Ende nur auf Kosten der Pferde und (überforderten) Reiter. Gerade in dem Bereich sollte es NUR(!) um Spaß gehen. Jeder kommt durch, alle haben Freude, alle fahren mit einem großen Lächeln nach Hause, weil es Noten von 6-10 gab. Warum gibt es das kaum noch? Warum muss schon dort der Leistungsgedanke überwiegen?? Damit macht man den Sport ja schon in den Anfängen kaputt. Denn wo kommen die späteren Aachen Sieger und Olympiateilnehmer her? Die müssen auch irgendwo anfangen. Und wenn sie in der ersten VE abgestraft werden und nach einem nicht beendeten Gelände total gefrustet nach Hause fahren, haben sie bestimmt weiter richtig Bock auf den Sport.

Vielleicht ist mein Hashtag #wirfürdenpferdesport (mittlerweile über 6.200 Beiträge nur auf Instagram) gerade nicht optimal. Aber er steht für das, wofür ich stehe: Für den Sport als solches. Nicht für all die unschönen und schrecklichen Bilder, die der Sport auch produziert. Er steht für Sport, der MIT dem Pferd funktionieren kann. Und ich glaube fest daran, dass es das geben kann. Wenn wir das Vertrauen nicht ausnutzen, sondern es uns jeden Tag bewusst machen und versuchen, bestmöglich danach zu handeln. Und da muss sich JEDER an die eigene Nase fassen.

Ich hoffe, dass sich auch große Reiter und Influencer mit großer Reichweite an der Diskussion beteiligen, denn wie nun schon öfter erwähnt: ES GEHT UNS ALLE AN. Und wenn wir jetzt versuchen, das auszusitzen, wird es uns auch alle treffen. Dressur, Springen, Vielseitigkeit, Western, Freiarbeit, Reitvereine – vom Spitzensport bis zum Reitschüler. Ich verstehe nicht, wie viele so ruhig bleiben können. In mir brodelt es.

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4 Comments
  1. Antworten

    Sabine Biechele

    7. Juli 2022

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/McLain_Ward

    Hallo Julia,
    stimme mit allem überein. Das ist sicher auch ein Grund, warum die Turnierlizenen um 30% zurückgegangen sind.
    Aber was ich eigentlich sagen wollte, dass hier in Aachen 2022 ein Springreiter zwei Springen gewonnen hat, der eigentlich seit 1999 gesperrt war für Aachen und das aus gutem Grund (Siehe Link) . Jetzt gab es für ihn ein Interview mit den Ministerpräsidenten 🙈 und einen Artikel in der Soers Zeitung- unglaublich. Das ist Wasser auf die Mühlen der Tierschützer und PETA-Vertreter. So verbessern wir unser Image im Pferdesport nicht 🥲
    LG Sabine Biechele

    • Antworten

      Juli

      7. Juli 2022

      Das ist mir auch absolut unbegreiflich, wie sowas sein kann… 🙄

  2. Antworten

    Helmut Helmberger

    8. Juli 2022

    Ja, auch ich fand es sehr verstörend, dass McLean Ward wieder in Aachen starten durfte. Er ist unbestritten ein sehr guter Reiter, aber mit seiner Vorgeschichte hätte Er für Aachen gesperrt bleiben sollen.

  3. Antworten

    Michaela Kempkes

    8. Juli 2022

    .irgendwo muss man jetzt anfangen. Es wäre schon mal ein Anfang, wenn Tierärzte mit dem Leid der Tiere nicht soviel verdienen würden. Wie kann man Nerven durchtrennen, weil das Dressurpferd vor lauter Schmerzen den Schweif aufstellt .Sie verdienen an Fett gefütterten Pferden eine Unmenge . Es werden Gelenke schmerzfrei gespritzt, Rücken abgespritzt usw, anstatt mit allen Beteiligten eine gute Besserung und Lösung zu finden. Die es durchaus in allen Bereichen gibt. Nur da verdienen nicht Soviele daran . Tierärzte, Kliniken Futtermittelhersteller usw
    Manchmal ist den Besitzern auch gar nicht bewusst, wie sie ihr Pferd quälen..Sei es mit barfuß lassen, obwohl das Pferd solche Schmerzen hat ,in Offfenstall stellen, obwohl das Pferd vor anderen Angst hat und lieber in einer Box wäre.
    Es fehlen definitiv Pferdeleute mit Ahnung
    Das Pferd ansich hat richtig Spaß an der Arbeit und findet sich super schön und gut, wenn es das zeigen kann. Und das geht bis in höchste Klassen auch ohne Stress und Quälerei. Je nach Anlage.
    Die Richter trifft auch eine große Mitschuld: ich weiß manchmal gar nicht, was das für eine Gangart sein soll…ohne Rücken, Grundgangart..,???, viel zu eng im Hals. Kann man doch sofort alles abstellen. Dann sind auch wieder schöne Bilder zu sehen und alle freuen sich…
    Zum Gelände: ich wollte auch mal eine VA reiten…der 17. Sprung war 140cm hoch…” da kommen sie schon drüber”…was soll das…
    Ich persönlich finde diese Ecken und ” unrunden ” Kurse auch sehr pferdeunfreundlich und erzeugen doch viele unschöne Bilder..könnte man ja auch schnell ändern .
    Aufklärung mit der richtigen Liebe zum Tier ist wichtig und in der Öffentlichkeit zeigen, dass es anders auch geht….auch wenn man dann nicht Erster wird. Aber schöne Bilder bleiben immer im Kopf und erfreuen.

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