Juliane Barth
Lüneburger Heide

Ich bin seit ca. 20 Jahren im Pferdesport zuhause, vor allem in der Vielseitigkeit, und habe die ein oder andere Geschichte erlebt. Das bringt mich auch dazu, Euch jetzt in meine Welt der Pferde mitzunehmen. Mein Geld verdiene ich als selbstständiger Creative Producer in der Werbefilmbranche und in der Social Media Welt.

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Wie Rennpferde aufwachsen?

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24. September 2019

… das hab ich mir angeschaut – am Tag der Gestüte am 21.09. in Hamburg beim Gestüt IDEE. Nachdem ich German Racing beim CHIO kennengelernt habe, haben wir uns gleich ein paar coole Aktionen ausgedacht. Zum einen den Besuch im Rennstall, über den es bereits ein YouTube Video inkl. Interview mit Helen Böhler gibt. Das war schon ein ziemlich spannender Einstieg in das Thema Rennsport.

Ich hatte bisher recht wenig Berührungspunkte mit dem Rennsport außer 1-2 Besuche an einem Sonntag auf der Rennbahn. Dort faszinierte mich vor allem die Geschwindigkeit. Klar. Ist ja auch Wahnsinn, wie die Pferde da an einem vorbei galoppieren. Aber natürlich hab ich auch von den vielen Vorurteilen im Rennsport gehört. Ich bin aber allgemein ein sehr offener Mensch und mache mir gern selbst ein Bild von Situationen bevor ich darüber urteile oder meinen Senf dazu gebe. Daher war ich der Idee gegenüber offen, mir mal ein paar Sachen anzugucken und bei Social Media darüber zu erzählen. Es geht dabei nicht um plakative Werbung, sondern um meine Meinung und meine Erlebnisse. So wie bei allem, was ich mache.

Ich durfte also nach dem Rennstall Asterblüte im August nun beim Tag der Gestüte dabei sein. Dieser Tag fand bereits einige Male statt und soll auch weiterhin 1x im Jahr veranstaltet werden. Es kommen von Jahr zu Jahr mehr Gestüte hinzu und die Nachfrage ist groß. Beim diesjährigen Tag der Gestüte waren es insgesamt 13 Gestüte deutschlandweit und ich habe mir eins der schönsten ausgesucht! Na, ich gebe zu, es lag geographisch auch sehr passend.

Das Gestüt IDEE – von Albert Darboven 1970 gegründet, der sogar selbst vor Ort war bei der ersten Führung (!) – ist einfach eine traumhafte Anlage. So idyllisch könnte es kein Film erzählen. Alleen, angelegte Grünflächen, alte Stallgebäude, überall Bilder der großen Erfolgspferde. Und natürlich auf den Weiden überall Pferde. Auf dem Gestüt stehen ungefähr 20 Pferde – 9 Mutterstuten, 6-7 Fohlen, 1 Deckhengst, 4 Jährlinge und 2 Rentner. Eine kleine Zucht, die Herr Darboven sich leistet.

Der Tag war nicht ganz als „Tag der offenen Tür“ geplant, sondern es gab nach Anmeldung dann 2 Gruppen à ca. 40 Personen. Also geführte Gruppen, um die Pferde nicht zu sehr zu stressen. Denn bei meinem Rundgang habe ich schon gemerkt, wie sehr die Pferde in ihrem „normalen“ Tagesablauf kurz gestört sind, wenn 40 Mann vor ihnen stehen. Gerade der Deckhengst wollte natürlich der Allercoolste sein und hat sich von seiner schönsten Seite präsentiert.

Die Führung begann mit einem lockeren Zusammenkommen, Kaffee und einem kurzen Intro von Herr Darboven. Ihm ist die Haltung der Pferde unglaublich wichtig. Er betonte immer wieder die Themen „Weidefragen, Hufschmied, Tierarzt“, ohne all das könne man keine guten Pferde züchten. Ganz besonders stolz war er auf seinen PIK KÖNIG, der 1992 als erstes Hamburger Pferd, das auch in Hamburg gezüchtet wurde, das Hamburger Derby gewann (da gab es das Derby schon 123 Jahre).

Danach übernimmt Vanessa Körner, die Gestütsleiterin, stellt erstmal das Team vor (diesmal Wochenend-Besetzung nur aus 3 Leuten bestehend): Sabrina Weyl, Pferdewirtschaftsmeisterin und Hannes, Auszubildender im 3.Lehrjahr. Sie zeigt der Gruppe die Anlage. Zunächst die Halle, Stallungen für die tragenden Stuten (kurz vor oder nach dem Abfohlen) und dann die verschiedenen Pferde-Gruppen auf den Koppeln.

Das System läuft so:

Ganzjährig sind Zuchtstuten und der Deckhengst auf dem Gestüt. Je nachdem, wie viele Fohlen es dann gibt, sind die natürlich auch da und bei den Stuten bei Fuß. Nach dem Absetzen (ca. 6 Monate) wird dann langsam den Fohlen alles Wichtige beigebracht, also Anbinden, Putzen, Mähne frisieren, Bodenarbeit, Sattel kennenlernen und und und. Das wird auch alles auf dem Gestüt gemacht. Wenn die Pferde dann 2-jährig soweit sind, dann kommen sie in den passenden Rennstall und werden weiter gefördert. Wenn nicht, dann bleiben sie eben noch ein bisschen länger auf dem Gestüt (wie zum Beispiel Power-Euro, das im Moment erfolgreichste Pferd von Gestüt IDEE, das mit seinen 7 Jahren dieses Jahr 5 Rennen gewonnen hat, aber erst mit 4 überhaupt in den Rennsport kam). Über Winter kommen aber viele Pferde nach der Saison wieder zurück zum Gestüt und verleben eine Winterpause, mit viel Weide, Massage, ein bisschen reiten, aber meistens chillen. Die Pferde auf dem Gestüt Idee kommen immer immer immer raus auf die Weide. Das ist Herr Darboven total wichtig.

Was ich neben dieser Winterpause total spannend fand, war die Herangehensweise mit der Startmaschine. Sie haben auf dem Gestüt eine eigene Startmaschine und gehen bereits mit den Fohlen beim Reinholen oder Führen einfach mal so dadurch. Natürlich ohne das „Abspringen“ wirklich zu üben, aber um den Pferden einfach dieses Konstrukt zu zeigen und so sind sie schon daran gewöhnt und haben keine Angst mehr, wenn sie dann vorm Rennen in die schmalen Gassen sollen. Frau Körner sagte so im Scherz, dass Idee-Pferde nie Startschwierigkeiten haben und ich glaube das sofort. Die Pferde kennen es ja aus super entspannten Situationen.

Ansonsten kann ich mich nur wiederholen: Es ist das reinste Paradies dort. Der Deckhengst Polish Vulcano ist 11 Jahre alt, sieht top aus und hat sich natürlich dementsprechend präsentiert. Er braucht laut Stallmanagement „seine Mädels“ um sich rum und daher hat er in Sichtnähe 3-4 Stuten stehen, eine ist sogar von ihm tragend. Das macht natürlich gute Laune bei so einem Hengst.

Das schönste war aber natürlich die Stuten-Fohlen-Herde. Die kleinen Racker, die noch bei Fuß sind, so langsam frech werden und total neugierig sind. Herzallerliebst. Da wollte ich gar nicht mehr weg. Bei einer Stute (Mi Emma), die selbst hocherfolgreich Rennen gelaufen ist (beste Stute ihres Jahrgangs), war es wohl ein kleines Wunder, das sie jetzt ein gesundes Fohlen dabei hat (Mi Divina), da sie ganz oft die Fohlen ab einem bestimmten Zeitpunkt verloren hat. Und dann hat es lange gedauert bis sie rausbekommen haben, was dazu geführt hat und es war eine Fruchtwasservergiftung. Das kommt selten vor, aber da kann man dem Körper durch Medikamente helfen und so ist Mi Divina ganz gesund geboren worden!

Ansonsten hatte es mir das Fuchsfohlen ganz besonders angetan. Russian Candy, wenn mich nicht alles täuscht – Tochter der Russian Samba (älteste Stute in der Herde mit 20 Jahren, ehemals Listensiegerin). Ganz selbstbewusste junge Stute, die schon sehr erwachsen aussieht für ihre noch nicht mal 6 Monate!!

Das vielleicht noch als Thema. Wir sind noch zu 2 Jährlingen auf die Koppel gegangen. Jährlinge – d.h. 1 Jahr alt. Ich dachte auf den ersten Blick, dass die bestimmt 3 sind. Krass, wie weit die Vollblüter entwickelt sind. Man sagt das zwar immer, aber wenn man es dann mal sieht, ist es schon was anderes! Die sah quasi fast schon fertig aus.

Nach dem Rundgang haben wir dann noch bei den Abfohlboxen gehalten. Große Boxen, natürlich videokamera-überwacht. Frau Körner macht die Geburten mit Frau Weil quasi allein und holt den Tierarzt nur bei Komplikationen dazu. Sie sagte, so viel Erfahrung (um die 600-700 Geburten hat sie schon begleitet) wie sie kann ein Tierarzt ja kaum haben.. und da hat sie sicher recht. Noch dazu wohnt sie auf der Anlage und ist natürlich sofort zur Stelle.

Zum Schluss war die ganze Gruppe wieder am Start versammelt und es gab belegte Brötchen 😉 Nervennahrung ist immer gut. Frau Körner zeigte noch ein paar Videos von 2 vermittelten ehemaligen Rennpferden. Das zum Thema „Rennpferde werden doch eh alle nur geschlachtet“ – QUAK, genauso wie in anderen Disziplinen verletzten sich Rennpferde auch mal oder man merkt nach 1-2 Jahren, dass sie keinen Spaß mehr an der Sache haben. Dann werden sie als Freizeit oder auch Amateur-Turnierpferde vermittelt. Der eine ist ein Freizeitpartner geworden, der mit den Kindern ein bisschen voltigiert, der andere macht einen guten Sprung und soll in die Vielseitigkeit schnuppern. Ja, mit einem Rennpferd hat man natürlich nie Probleme, die Zeit zu schaffen 😉 Vollblüter sind wohl unheimlich anpassungsfähig. So sensibel sie sind, so sehr passen sie sich aber auch neuen Aufgaben an. Und sind daher sehr schnell „umschulbar“.

Im Anschluss durfte ich noch ein Gespräch mit Vanessa Körner führen:

Tag der Gestüte – das wie vielte Mal seid ihr jetzt dabei?

Schon das dritte Mal.

Und wie wird das so angenommen?

Ziemlich gut, wir werden immer mutiger. Im ersten Jahr waren es 20 Leute pro Gruppe, im zweiten Jahr 30 und jetzt habe ich 45 zugelassen. Mir ist es aber wichtig, dass es nicht noch mehr werden, weil ich gerne die Zeit haben möchte, mit allen zu sprechen und auch einzelne Fragen beantworten zu können. Und wir werden auf jeden Fall beim nächsten Mal wieder dabei sein!

Wie lange sind Sie schon Gestütsleiterin?

6 Jahre.

Und wie sind Sie genau hier zu diesem Gestüt gekommen?

Eigentlich durch Herrn Darboven. Er hat mich angesprochen und ich war von den Bedingungen und Möglichkeiten hier sofort ziemlich begeistert.

Waren Sie vorher schon in einem Rennsport-Gestüt?

Ja, ich war vorher bereits in Nordrhein-Westfalen Gestütsleiterin auf dem Gestüt Elite.

Was fasziniert Sie am Rennsport?

Alles. Das ist natürlich immer schwer in Worte zu fassen. Am meisten wohl der englische Vollblüter selbst. Ich hab mal im Reitsport gelernt, bin dann aber durch Zufall zu den Vollblütern gekommen und bin bei diesen Pferden einfach hängen geblieben. Dann kommt natürlich etwas Glück dazu – zur richtigen Zeit am richtigen Ort habe ich einen Job im Gestüt bekommen und bin dadurch in die Zucht gekommen. Vorher war ich doch eher als Reiter unterwegs. Aber was fasziniert mich? Die Geschwindigkeit natürlich, das Wesen der Blüter, diese kleinen Momente, wie wenn morgens der Nebel noch auf der Bahn ist und man galoppiert mit seinem Pferd da durch… diese Ruhe, Natur, Tiere.

Traumjob, aber schon 24/7 ?

Ja, auf jeden Fall. Reich werden tut man damit sicher nicht. Es gibt keinen Feierabend und Freunde und Familie müssen da auch immer Verständnis haben. Aber: Man bekommt auch so viel dafür zurück. Nicht nur die Fohlen, sondern auch die Mutterstuten, die ganzjährig bei uns sind. Oder auch unser Deckhengst, der charakterlich einfach nur toll ist und und und…

Wieso ist so ein Deckhengst so teuer für ein Gestüt?

Der Markt in Deutschland ist relativ klein. Und wenn man kein so populäres Pferd hat und noch dazu kein riesiges Gestüt ist, das 30-40 Mutterstuten hat, die den Hengst dann auch entsprechend unterstützen können. Dann ist man schon auf andere Züchter angewiesen. Viele Züchter sind aber nicht bereit, nach Hamburg zu kommen, da die Konzentration im Rennsport schon in Nordrhein-Westfalen ist. Ein Hengst braucht Nachkommen, um sich beweisen zu können und dafür braucht man natürlich auch gute Stuten. Es ist ein bisschen Liebhaberei, sich in Größe unseres Gestüts einen Deckhengst zu leisten, denn es macht extrem viel Arbeit. Nicht nur er an sich, sondern auch die Interessenten mit Stuten, das Decken, das Ausprobieren, etc. pp.

Kann man hier also eher von einer kleinen Zucht sprechen?

Ja, auf jeden Fall, mit unter 10 Mutterstuten ist es eher eine kleine Zucht. Zwar mit großen Möglichkeiten, aber mal schauen, was die Zukunft noch bringt.

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass Rennpferde immer so früh eingeritten werden?

Vollblüter sind frühreif. Sie sind körperlich schon viel viel weiter als Wamblüter und auch im Kopf schon reifer. Und es ist nachgewiesenermaßen für den Kochenbau und Muskelstruktur deutlich besser, wenn man ein Pferd gezielt arbeitet. Natürlich nicht überfordern, keine Frage, aber gezieltes gutes Training, auch mit jungen Pferden ist gut für die ganze Entwicklung des Knochen- und Muskelapparates. So hab ich nachher ein gesünderes Pferd.

Man merkte an diesem Samstag einfach, wie sehr Herr Darboven, Frau Körner und alle Mitarbeiter des Gestüts ihre Pferde lieben und das Bestmögliche für sie rausholen. Ich habe hier nur Pferdeverstand gesehen. Natürlich kann ich immer nur das beurteilen, was ich sehe und will nicht verallgemeinern.

Und sehr schön: Frau Körner hat mich eingeladen, mal zum Wintertraining zu kommen und zum Beispiel den Power-Euro (das ist sogar ein sehr schöner Fuchs!) in seiner Winterpause mal ein bisschen entspannt zu reiten! Das wäre auf jeden Fall nochmal eine super Idee und ich hoffe, dass das klappt. Dann bin ich gerne wieder auf dem Gestüt IDEE 🙂

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit German Racing.

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1 Comment
  1. Antworten

    Tim

    23. Januar 2020

    Sehr schöner Artikel, der die aufrichtige Realität zeigt!

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