TAG 1 – Verfassung / Badminton Daily Blog präsentiert von VITANDAR
Es ist drei lange Jahre her, dass die Badminton Horse Trials zum letzten Mal stattfanden, und von dem Moment an, in dem man das ikonische Gelände betritt, ist eines klar: Alle, von den Reitern über die Pferdepfleger bis hin zu den Fans, haben das Gefühl, dass alle ihre Weihnachtsfeiertage auf einmal gekommen sind.
Diese Veranstaltung hat eine ganz besondere Magie, die sich nur schwer in Worte fassen lässt, aber sie erfasst einen von dem Moment an, in dem man zum ersten Mal einen Fuß in den historischen Stall aus Stein setzt. Hier hat sich jahrzehntelange Vielseitigkeitsgeschichte entfaltet: Es ist der Ort der Triumphe und Herzensbrecher, von Freudentränen und Tränen der Enttäuschung, und in stillen Momenten hat man das Gefühl, als könne man immer noch die Hufschläge großer, längst vergangener Pferde hören, die wie ein Herzschlag durch die Stallgänge laufen. Wieder hier zu sein, umgeben von unserer eigenen Generation großer Pferde – und vielen Legenden, die gerade entstehen – fühlt sich wie eine wunderbare Heimkehr an. Vielleicht sind unsere Geschichten durch diese lange Pandemie auf Eis gelegt worden, aber das Buch ist wieder aufgeschlagen und ein neues Kapitel ist bereit, geschrieben zu werden.
Michael Jung, der hier so erfolgreich war, sagte mir einmal mit einem wehmütigen Lächeln, dass selbst für ihn der Zauber nie vergeht – und das glaube ich.
Es gibt so viele Persönlichkeiten im Vielseitigkeitssport, die zu Recht als moderne Legenden des Sports bezeichnet werden, und so viele von ihnen sind diese Woche hier: Da sind unsere aktuellen Weltmeister Ros Canter und Allstar B, alle drei Mitglieder der britischen Olympiamannschaft, die die Goldmedaille gewonnen haben, die letztjährigen Europameister Nicola Wilson und JL Dublin, die Burghley-Sieger Tim Price und Ringwood Sky Boy, die Badminton-Sieger Jonelle Price und Classic Moet sowie Piggy March und Vanir Kamira. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen und umfasst Sieger aus allen Fünf-Sterne-Ländern außer Maryland – aber das sind nicht die einzigen Geschichten. Jeder Reiter und jedes Pferd, das es so weit geschafft hat, hat eine unglaubliche Geschichte zu erzählen – so auch der einzige deutsche Teilnehmer in diesem Jahr, Christoph Wahler und Carjatan S.
“Vielseitigkeit ist eigentlich mein Hobby”, sagte er mir heute Morgen, und das ist noch bescheiden ausgedrückt: Immerhin hat der 28-Jährige mit seinem Holsteiner Wallach schon zwei Senioren-Europameisterschaften geritten, war 2019 unter den ersten 20 und letztes Jahr in Avenches Siebter. Und auch in der Fünf-Sterne-Klasse ist er kein Rookie – mit seinem zweiten Platz in Luhmühlen im letzten Jahr hat er sich als einer der stärksten Nachwuchsstars Europas etabliert. Für Außenstehende mag es so aussehen, als hätte er den Luxus von Zeit und Ressourcen auf seiner Seite, denn der weitläufige Klosterhof Medingen in Bad Bevensen, auf dem seine Familie wohnt, ist ein wahres Paradies für Reiter. Aber in der Tat trifft seine Aussage zu – das Reiten seiner Vielseitigkeitspferde fügt sich in den arbeitsreichen Tag auf dem Klosterhof ein, und oft reitet er Carjatan, bevor der Rest des Hofes aufwacht, oder in der Mittagspause und konzentriert sich in der übrigen Zeit auf das Familienunternehmen mit dem Verkauf und der Zucht von Hochleistungspferden, das er zu Beginn der Pandemie übernommen hat.
All diese Stunden der Hingabe haben sich jedoch gelohnt, um einen Traum zu verwirklichen, den er seit sieben Jahren hegt.
“Ich habe 2015 einige Wochen mit Chris Bartle trainiert, und als ich bei ihm war, war es gerade diese Jahreszeit, und ich dachte, ich schaue mir mal das Gelände hier an”, erklärt er. “Als ich hier war, fühlte es sich an, als wäre alles größer und besser als jede andere Veranstaltung auf der Welt – und es fühlt sich sehr, sehr, sehr gut an, jetzt hier zu sein. Es ist das Größte, was wir in diesem Sport haben, deshalb wollte ich schon immer hierher kommen. Und ich dachte, Carjatan ist dreizehn; er hat in der letzten Saison ein Fünf-Sterne-Rennen absolviert; er hat zwei Meisterschaften gewonnen. Warum sollte ich es nicht mal versuchen?”
Eine Paarung vom Kaliber von Christoph und Carjatan ist natürlich immer eine attraktive Option für Meisterschaften – und so waren die deutschen Trainer anfangs nicht ganz überzeugt von seinem Plan.
“Als ich im Winter mit ihnen sprach, waren sie unschlüssig, ob es eine gute Idee wäre, zu gehen oder nicht, denn einerseits möchte man ein Pferd wie ihn für die Meisterschaften schonen. Andererseits ist es aber auch sehr gut, weil er hier so viel mehr Erfahrung sammeln kann, was uns besser macht. Und bei Pferden weiß man nie, ob man die Chance noch einmal bekommt.”
Nachdem die Entscheidung gefallen war, musste Christoph das Fitnessprogramm seines Pferdes in Angriff nehmen: Da Badminton so früh in der Saison liegt, gibt es nicht so viele Möglichkeiten, bei Veranstaltungen zu gehen wie vor einem Sommerevent wie Luhmühlen. Und natürlich steht auch eine weite Reise an – doch für Christoph und seine langjährige Pflegerin Lily Kirchheim verlief diese mit einem geplanten Zwischenstopp in Calais reibungslos. Jetzt, wo sein Traum so nah ist wie nie zuvor, genießt er den Prozess.
“Normalerweise weiß man, wenn man zu einem Turnier kommt, genau, wohin man gehen muss und wie alles aussehen wird”, sagt er. “Hier bin ich von allem so beeindruckt, und das lässt mich ein bisschen schüchtern sein. Es ist etwas ganz Besonderes, und alle sind so freundlich, von den Wärtern, die einen einlassen, bis hin zu den Leuten im Stallbüro. Alle helfen dir, und es ist einfach eine sehr gute Atmosphäre.”
Christophs Woche und die seiner Mitstreiter in dieser Woche begann mit dem ersten Vet-Check am Mittwochnachmittag vor dem Badminton House. Das ursprüngliche Feld von 84 Pferden wurde kurz vor Beginn der Inspektion um ein Pferd reduziert, da sich die britische Reiterin Tina Cook dazu entschloss, Billy the Red zurückzuziehen. Weitere Spannung kam auf, als der Sieger von 2018, Classic Moet, gesteuert von der Neuseeländerin Jonelle Price, und Shadd’OC, vorgestellt vom Franzosen Ugo Provasi, in die Wartebox geschickt wurden – aber bei der erneuten Inspektion wurden beide akzeptiert.
Und damit geht der letzte (einigermaßen) friedliche Tag in Badminton zu Ende: Nun stehen zwei actiongeladene Tage mit Dressurprüfungen, unzähligen Parcoursbegehungen und einem Wochenende voller hochkarätiger Springphasen bevor. Ich freue mich darauf, Euch alle mitnehmen zu können!
Christoph und Carjatan starten am ersten Dressurtag (Donnerstag) um 14:48 englische Zeit (15:48 in Deutschland). Es heißt Daumen drücken! Hier kommt ihr zur ganzen Dressurliste mit den Startzeiten.
– Fotos und Text von meiner lieben Freundin TILLY BERENDT –